Mein Benutzer

INFOGRAZ.at verwendet Cookies, um Ihnen den bestmöglichen Service zu gewährleisten. Wenn Sie auf dieser Seite weitersurfen, stimmen Sie der Cookie-Nutzung zu. Details dazu finden Sie in unserer Datenschutz Erklärung.

Schaumgeborene Kunstmomente - Das Nomadisieren ist nicht romantisch.....

... sondern gewöhnungsbedürftig. Ist es Aufgabe der Kreativen, sich selbst marktfähig zu machen? Vermutlich ja, weil das sonst niemand für sie übernehmen wird.

Also Graz! Ich war schon so nahe an der Alten Poststraße. Im vorigen Beitrag ist sie angeklungen. In diesem sollte sie Thema sein. Dann bin ich doch einige Straßenzüge davor hängengeblieben. Das Wirtschaftsviertel westlich vom Grazer Hauptbahnhof ist ein sehr interessantes Areal.

Alte Poststraße,Strassenschild,fortgeschritten,Erfahrung,Geschichte,Ausstattung,Wege,Mur,Auktionshäuser,Knowhow,Gegenwartskunst

Von der alten Commercial-Haupt- und Poststraße ist in Graz nur ein recht kleines Stück übrig geblieben.

Ursprünglich spielte sich all das nahe bei der Mur ab. Die längste Zeit waren in unserer Geschichte Flüsse die einzige Möglichkeit, um Massengüter zu transportieren. Das Straßen- und Wegenetz ließ derlei nicht zu. Die Mur war also ein dominanter Verkehrsweg. Rechts und links von ihr gab es einst je einen „Mühlgang“ als Kraftquelle für Maschinen und als Abwasserkanal.

Mit tauglichen Straßen für Langstrecken dauerte es. Kaiser Karl VI, Maria Theresias Vater, ließ im 18. Jahrhundert die „Commercial-Haupt- und Poststraße“ errichten, welche westlich der Mur eine neue Verkehrsader ergab. Das hatte natürlich auch Konsequenzen für die Infrastruktur der Stadt.

Expeditionsgebiet 8020 Graz

WO,Rolltreppe,historisch,kollektive,dominant,Triest,Joanneum,Agenten,Prozesse,8020 Graz,Ergebnisse,Vorteile,Lager,Forum Stadtpark

Es ist eine interessante Option, dass die Kunst Terrains übernimmt, wo die Wirtschaft Pause macht.

Schließlich entstand im 19. Jahrhundert, ebenso westlich der Mur, die Bahntrasse. Erzherzog Johann verfolgte mit seinem Engagement für die Bahn das gleich Ziel wie Kaiser Karl mit der Poststraße, nämlich die Hauptstadt Wien mit dem Hafen in Triest zu verbinden.

Dieser Teil von Graz ist also voller interessanter Geschichten, die letztlich keine der Herrschaft und der Eliten sind, sondern jene der Fachkräfte und der „einfachen Leute“, von denen der Hauptteil jener Ideen und Arbeitsleistung kamen, die das Blühen von Graz ermöglichten.

Schaumbad,potenzieren,Stadt,Strukturen,fix,Ära,Defizite,kulturell,Koordination,polemisch,Limits,fair,zeitgenössisch,Stabilität,gesellschaftlich,Engagement

Die Namensgebung des Freien Atelierhauses war eine Referenz an die wirtschaftliche Vorgeschichte des Gebäudes.

Viele bedeutende Technologieschritte veränderten dieses Terrain über die dort ansässigen Betriebe.

Fluktuation gehört wohl zu den grundlegenden Ereignissen der Wirtschaft. Wo Geschäfte im Sand verlaufen, bleiben mitunter die „harten Schalen“ zurück, stehen also Gebäude leer. Teilweise ergibt das, was „perforierte Stadt“ oder „shrinking cities“ genannt wird. Solche „Löcher“ in der Nutzung von Stadtgebiet erhalten gelegentlich neue Funktionen im oder durch den kulturellen Bereich.

Kollektive sind etwas aus der Mode gekommen

Im Juni 2008 übernahm ein Kollektiv Kunstschaffender das weiträumige Gebäude, in dem zuvor Badezimmerausstattungen gezeigt und gehandelt worden waren:

Eva Ursprung,Stadt Graz,Infrastruktur,Thema,Gebäude,Atelier,Einkommen,Eliten,Profit,Limit,Langstrecken,Fachkräfte,Geschäfte,Präsentation

Künstlerin Eva Ursprung bewährte sich als Schlüsselperson dieses kulturellen Experimentes.

„Im Spätsommer 2007 entstand der Kontakt zwischen einer Gruppe von Ateliersuchenden Grazer Künstlerinnen und dem Mitarbeiter einer Wiener Beteiligungsgesellschaft, die im Besitz des großen, Leerstehenden Lager- und Bürogebäudes in der Starhemberggasse ist.“ [Quelle]

Eva Ursprung, Igor Petkovic, Daniel Bergmayr, Stefan Schmid, Markus Wilfling und Johannes Schrettle bildeten zuletzt den Vorstand des Projektes „Schaumbad“. 

Es ist eine untypische Geschichte. Solche kollektiven Konzentrationen verschiedener Kunstschaffender sind selten geworden. Letztlich waren es bis zu rund 50 Kreative, die in diesem Gravitationsfeld zur Wirkung kamen und einander gegenseitig auch mit Anregungen und Know how stärkten.

Ein Ensemble von Qualitäten

zelt,Waschanlage,Rahmenbedingungen,Betriebe,temporär,know how,Projekt,Labor,Feuilleton,aus der Mode,Steuer,Experiment,Anregungen,Künstler,Definition

Ereignisraum, Werkstatt und Labor, Präsentationsfläche… und keine Nachbarn, die abends ihre Nerven schmeißen, wenn es einmal lebhaft zugeht. Eine Stadt wie Graz hat genug Plätze, die das leisten und temporär leer stehen.

Nun wurde in einem mehrteiligen „Homerun“ dieses Kapitel abgeschlossen. Künstlerin Eva Ursprung, die im „Schaumbad“ viel an Koordination geleistet hatte, betont die Vorteile so einer Konzentration Kreativer. Die Summe der Kompetenzen unter einem Dach, ergänzt um praktische Ausstattung, rund um ganz erhebliche Präsentationsfläche, das ergibt Möglichkeitsräume, die Kreativität potenzieren. (Und da will sie ausdrücklich nicht von „creative industries“ gesprochen haben.)

Es geht um ein Ensemble von Qualitäten, das nicht auf simple Art evaluierbar ist, wie etwa die Ergebnisse eines Heimwerkerzentrums. In unserer Gesellschaft herrscht eigentlich noch zu wenig allgemeine Kenntnis vom Nutzen solcher freien Entwicklungsräume. Das illustrieren auch die verfügbaren Budgets, die dann eher millionenschwer in die Reparaturen von gesellschaftlichen Defiziten investiert werden, statt vorab weitere Bedingungen zu ermöglichen.

Kunstschaffende haben es allerdings ihrerseits zu lange dabei belassen, solchen Nutzen einfach zu proklamieren, statt eine ausreichend kontinuierliche Diskurs- und Kommunikationsarbeit zu leisten, die klar werden ließen, warum es solche Möglichkeiten geben soll.

Kunstdiskurs nein danke?

LKw,680,Kultur Steiermark,Möglichkeit,Erfahrungen,Technologie,Beispiele,Grazer Hauptbahnhof,Artefakte,Kampagne

Dieser ausgemusterte Militär-LKW, ein Steyr 680, schaffte es vom „Schaumbad“ bis nach Afrika (Projekt „toys on tour“).

Freilich muss akzeptiert werden, dass viele Leute in der Kunst bestenfalls ihr Werk sprechen lassen wollen und darüber hinaus führende Diskurse für entbehrlich halten. Wir sind zwar in der Gegenwartskunst spätestens seit Marcel Duchamp in einer Ära, wo ohne Diskurse als nicht klärbar gilt, was Kunst sei, aber das Betreten dieses Felde der Definitionsmacht ist eben manchen Kreativen eher Bürde als Möglichkeit.

So betonte etwa der Grazer Dokumentarfilmer Heinz Trenczak vollmundig: wenn man sagen könnte, was Kunstwerke ‚sagen’, bräuchte man sie nicht machen.“ Eine Position, die freilich nur ein kleines Segment zeitgenössischer Kunstschaffender ausmacht. Wie ja auch Kunstwerke, also Artefakte und Prozesse, die als Ergebnisse künstlerischer Anstrengungen gelten, nur einen Teil des Kunstgeschehens ausmachen.

Schaumbad,Waschstraße,Herrschaft,Ereignis,aufbauen,kollektiv,Fluktuation,Kompetenzen,Motivation,Helmut List-Halle,romantisch,Mitarbeiter,steirisch

Eine Installation auf Zeit, Folgeschritt einer Arbeit von Eva Ursprung, die davor im serbischen Abschnitt der Donau geschwommen hat.

Dabei wird dann eine Struktur wie das „Schaumbad“ so interessant, weil dort nicht bloß sehr viel vor Ort geschehen ist, von dort ist auch allerhand ausgegangen, was sich dann an anderen Plätzen, sogar in anderen Ländern manifestiert hat. Diskurse, Reflexionen, Verzweigungen ins Web, aber auch das Echo im Feuilleton; all das macht in Summe jene „Ereignisnetze“ aus, die meist auch ein Leben von Kunstschaffenden tragen.

Das „Schaumbad“ war sicher eines der interessantesten Experimente im steirischen Kulturgeschehen der letzten 20 Jahre. Eine Art künstlerisches Mehrsparten-Labor, das – anders als etwa ein „Forum Stadtpark“ -- in vielerlei Hinsicht offen blieb, vor allem aber: temporär! Allerdings, das Nomadisieren ist nicht romantisch, sondern gewöhnungsbedürftig.

Ist daher ein Ablaufdatum in der Verfügbarkeit solcher Häuser zu beklagen? Was soll man sich wünschen? Gerade auf dem Kunstfeld leiden viele Freelancers nicht nur unter der problematischen Marktlage, sondern vor allem auch unter den Konsequenzen einer Sozialpolitik, die der Lebens- und Arbeitsrealität Kunstschaffender einfach nicht gerecht werden will. So gesehen ist der Wunsch nach Stabilität natürlich naheliegend.

Prekariat für Anfänger und Fortgeschrittene

Ensemble,sozial,Kommunikation,Hauptbahnhof,Nachkriegszeit,fortgeschrittene,heimisch,Sozialhilfe,Markt,Notstandshilfe,Hafen,Terrain

Der „super umetnik“ Nikola Macura hat Spuren hinterlassen.

Es ist zum Beispiel ziemlich absurd, dass Steuer und Sozialversicherung zwingende Bedingungen mit sich bringen, die es eigentlich – ökonomisch betrachtet – für ein Gros Kunstschaffender fast sinnlos erscheinen lassen, sich ein reales Einkommen zu erkämpfen, dass dann nur wenig über der staatlichen Notstandshilfe liegt.

Ich brauche als freischaffender Künstler eine starke ideelle Motivation, meine Geschäfte voranzutreiben, denn betriebswirtschaftlich gesehen lohnt es sich kaum, in größter Unsicherheit und über Jahre darum zu ringen, dass ein passables Jahreseinkommen mich über die Erträge von Sozialhilfeempfängern erhebt.

Christian Buchman,Landesrat,Sozialpolitik,Kunst,junge Leute,Werkstatt,Einrichtungen,international,Reflexionen,Kreativität,unter einem Dach,Ablaufdatum,Budgets

Landeskulturreferent Christian Buchmann bedankt sich schön für teure Erbschaften wie etwa die Helmut List-Halle, beißt die Zähne bei dem zusammen, was ihm das Universalmuseum Joanneum abverlangt, und winkt angesichts weiterer Fixposten energisch ab, sobald auf dem Kunstfeld neue Etablissements debattiert werden

Gerade in solchen Zusammenhängen könnten natürlich Experimente wie das „Schaumbad“ wertvolle Erfahrungen einbringen, die nicht nur künstlerischer Natur sind, sondern auch soziale und ökonomische Klarheiten erbrächten.

Die Stadt Graz hat zur Zeit kaum Mittel, um solche Erfahrungs-Prozesse angemessen mitzufinanzieren. Das Land kompensiert einige dieser Defizite, macht aber die Limits deutlich. Landeskulturreferent Christian Buchmann sagt unmissverständlich: Ich richte niemandem eine warme Stube.“ Er macht kein Hehl aus seiner Skepsis gegenüber fixen Einrichtungen.

Die IG Kultur Steiermark fordert dagegen im Rahmen der Kampagne „Fair Pay“ ausdrücklich: „Denn es geht schlussendlich darum, Strukturen zu ermöglichen, zu erhalten und zu fördern. Darum weniger Projekt- mehr Strukturförderung!“ [Quelle]

Brauchen und bekommen sind zweierlei

Gut, „Strukturen“ ist a priori kein Synonym für „fixe Häuser“. So gesehen könnte die „Erfahrung Schaumbad“ ja ein interessanter Ausgangspunkt für eine aktuelle Debatte darüber sein, was Freelancers des steirischen Kunstbetriebes konkret brauchen und was sie davon bekommen können.

homerun,schaumbad,praktisch,verkürzen, Nutzen, Künstlerinnen,einfach,Anfänger,Konsequenzen,Aspekte,19. Jahrhundert,Wirkung,Unsicherheit,Grazer

Mit dem „Home Run“ endete die Präsenz der Kunstschaffenden in der Grazer Starhemberggasse

Es wird wohl dabei weder ein neues „Forum Stadtpark“ entstehen, noch ein neues „Künstlerhaus“; beides historische Beispiele, eines des 20. und das andere im Geist des 19. Jahrhunderts.

Was sind also angemessene Rahmenbedingungen und Strukturen für Kunstschaffende im 21. Jahrhundert? Im Gespräch mit dem Kunstsammler Erich Wolf, der sich auf steirische Gegenwartskunst vor allem der Nachkriegszeit spezialisiert hat, hörte ich die Ansicht, dass ein großer Teil heimischer Künstler für einen Auftritt auf einem internationalen Markt mangels Know how gar nicht gerüstet sei.

Tabuthema Marktfähigkeit

Ist es Aufgabe der Kreativen, sich selbst marktfähig zu machen? Vermutlich ja, weil das sonst niemand für sie übernehmen wird. Früher, so höre ich, hätte etwa der Galeriebetrieb sich noch stark zuständig gezeigt, solche Leistungen zu erbringen. Doch heute, um es polemisch zu verkürzen, ist der Markt längst von Agenten aus Auktionshäusern und von Spekulanten überlaufen, die jenen Profit abschöpfen, mit dem es sich früher Galerien leisten konnten, junge Leute aufzubauen.

In der Zusammenschau all dieser Aspekte bleibt also die interessante Frage, ob ein „Schaumbad - Freies Atelierhaus Graz“ bloß Episode war, die immerhin eine Reihe interessanter Ergebnisse und Ereignisse hervorgebracht hat, oder ob darin auch der Ansatz für einen Diskurs über zeitgemäße Strukturen und Marktbedingungen liegt.

© Martin Krusche, Jahrgang 1956, freischaffender Künstler, Exponent von „kunst ost

News und Wissenswertes

Die Edelsten unter der Sonne

Die Edelsten unter der Sonne

Euch kann ich´s ja sagen – nichts, aber schon absolut überhaupt gar nichts ist mir heiliger.. Wie kann ich dem Pferd gerecht werden? - fragt sich Daniela Kummer.

Der erste Schritt zum Eheglück - die Verlobung

Der erste Schritt zum Eheglück - die Verlobung

Für viele Paare ist sie einer der romantischsten Momente ihrer Beziehung - die Verlobung. Manchmal ist es ein langer und beschwerlicher Weg, bis die bedeutsame Entscheidung getroffen wird, mit dem Partner den Rest des Lebens verbringen zu wollen.

Erholsamer Schlaf für 2: Die richtige Bettgröße finden

Erholsamer Schlaf für 2: Die richtige Bettgröße finden

Die Schlafqualität spielt für das Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit eine entscheidende Rolle. Wer schlecht schläft, der ist am Morgen nicht ausgeruht und die Aufgaben des Alltags können zu einer wahren Belastungsprobe werden.