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Lizenz zum Zetern - von Martin Krusche

...dass mir beim Lauf der Dinge einige Spießer und Mittelschicht-Trutschen mit ihren Attitüden und ihren Parolen zunehmend auf die Nerven gehen

Ich hab mir gerade meine Lizenz zum Zetern verlängern lassen. Eine Art „Ceterum censeo“ auf Abonnement. Ausgestellt vom Salzamt. Conditio sine qua non: Man muss auf hohem Ross daher kommen. Da sind sie beim Salzamt etwas zickig und antiquiert. Ich bin das auch. Passt also.

Der dazugehörige Casus quasus, ich sollte sagen: der Anlassfall, liegt im Grazer Kulturgeschehen. Ich bin in dieser Sache freilich befangen. Kürzlich schrieb man mir: „auch dein pauschales ‚grazer künstler_bashing’ (provinz vs. landeshauptstädtchen) hat für mich mit redlichkeit wenig gemein.“ 

Wer hat die Definitionshoheit?

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Wie öffentlich darf Öffentlichkeit sein? Und wer darf dort was verlautbaren? Früher haben Türhüter die medialen Zugänge überwacht, heute ist das komplexer.

Das bezieht sich auf meine Beiträge zur kulturpolitischen Debatte rund um das Grazer Künstlerhaus sowie einige Ereignisse im sozialen und politischen Kontext. Pauschal? Ich dachte bisher, dass ich mich in diesen Dingen sehr detailliert und konkret geäußert hätte. Also nicht. Hm.

Besonders charmant fand ich: „ja, deine tendenz zum elektronischen pranger hat in meinen augen was polizistisches...“ Das bedeutet praktisch ungefähr: Eine Grazer Protestbewegung, die sich in ihrem Selbstverständnis als „Aufstand“ verstehen möchte, pflegt a) eine breite Online-Präsenz, um ihre Ansichten in öffentliche Diskurse einzubringen und b) sporadische Straßenpräsenz, um Klartext in die Welt zu stanzen.

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Wie viel abweichende Meinung verträgt eine Demokratiebewegung? Wie viel Akzeptanz dürfen Andersdenkende auf solchem Terrain erwarten?

Das ist Ausdruck lebendiger Demokratie. Meine bescheidene Online-Präsenz zur Meinungsäußerung, mit teilweise divergierenden Ansichten, ist ein „elektronischer Pranger“ ist „polizistisch“.

Das ist für einen wie mich nicht ganz einfach zu verstehen. Ich meine hier Communities wie die „Plattform 25“ (natürlich auch auf Facebook aktiv), die „Künstlerhaus-Partie“ etc. Also in Summe ein webgestütztes Milieu, dem ich selbst angehöre, welches kulturelle und soziale Fragen verhandelt. Wie erwähnt, andere: das Lager der Demokratie, ich: der Agent eines nicht näher erklärten Polizismus’.

Spießer und Mittelschicht-Trutschen

Ich habe einige Grazer Ereignisse „Revolution in Hauspatschen“ genannt, wofür meine Gründe inzwischen bekannt sein sollten; siehe hier. Ich habe an anderer Stelle betont, dass mir beim Lauf der Dinge einige Spießer und Mittelschicht-Trutschen mit ihren Attitüden und ihren Parolen zunehmend auf die Nerven gehen. Wer austeilt, muss auch einstecken. Klar? Klar! 

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Heinz Trenczak: „ja, deine tendenz zum elektronischen pranger hat in meinen augen was polizistisches...“.

Warum erzähle ich das alles überhaupt? Es gab gerade einen kuriosen Vorfall. Man hätte ihn glatt übersehen können, aber es ist eine so infame Angelegenheit, dass sich eigentlich nicht so ohne weiteres darüber hinweggehen lässt. Der Grazer „Aufstand“ hat einen Chronisten, den Filmemacher Heinz Trenczak. Von ihm gibt es zwei Dokumentarfilme, die er gerne beim Filmfestival „Diagonale“ im Programm sehen würde.

In dieser Sache schrieb Trenczak am 3. Februar in einem öffentlichen Forum: >>übrigens! by the way | diagonale-intendantin barbara pichler zur einreichung von "graz - hauptstadt des bettelverbots" und "zwei tage im april - wir empören uns!": "... Es tut mir sehr leid, Ihnen nun mitteilen zu müssen, dass ich den Film in der Auswahl nicht berücksichtigen konnte..." :-/ (tja, wenn schon A1 als grosssponsor ausfällt, muss wenigestens die kohle vom land stmk. abgesichert werden. ein schelm, wer dabei böses denkt!)<<

Korruption ist ein Positionsmissbrauch

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„Diagonale“-Intendantin Barbara Pichler: „Denn wie soll man öffentlich antworten,…?“

Das heißt, Trenczak unterstellt Pichler ein korruptes Verhalten, da sie sich politisch willfährig verhalte, um einen Sponsor, das Land Steiermark, nicht zu verlieren. Damit unterstellt er auch, dass ein Landeskulturreferat sich etwa den Förderausschuss derart gefügig gemacht habe, da seien gewissermaßen nordkoreanische Verfahren in der steirischen Kulturpolitik denkbar.

Trenczak geht noch einen Schritt weiter. Er postet bei seinem Beitrag Pichlers Mailadresse und lädt ein, ihr in der Sache zu schreiben: „ein paar (oder viele oder sehr viele) E-Mails würden an diesem "letztinstanzlichen urteil" zwar nichts ändern, könnten aber ein (mächtiges) zeichen setzen. ich polemisiere seit jahren gegen das sog. intendanzprinzip beim festival des österr. films in graz. to whom it may concern...“

Fußnote: Wo kann ich nachlesen, durch welches Prinzip Trenczak die Intendanz der „Diagonale“ gerne ersetzen würde?

Was geht rechts von Dschingis Khan? 

Der ganze Tonfall, die Konnotationen ("letztinstanzlichen urteil"), all das deutet anrüchige Vorgänge an, rückt das Geschichtchen implizit in die Nähe undemokratischer Vorgänge. Das sind eine Menge Hinweischen, die jemandem den Missbrauch einer Position (Intendantin), Mangel an Kompetenz (Programmverantwortlichkeit), politische Willfährigkeit etc. unterstellen.

Wer das öffentlich tut, muss sich fragen lassen, welche Belege es für solche Unterstellungen gibt. Ich weiß ja nicht so genau, wie die Pichler „wirklich“ ist, weil Film nicht mein Metier ist. Ich hab daher nachgefragt.

Krusche: „kannst du es auch näher erklären?“

Trenczak: „kann ich.“

Krusche: „ich würds gerne genauer erfahren“

Trenczak: „das mach ich nicht öffentlich.“

Krusche: „was also heißt, du äußerst zwar öffentlich deinen korruptionsvorwurf, aber die begründung is nix für die öffentlichkeit. …“

Nun steht für mich folgendes Problem im Raum. Hier wird jemand (Pichler) öffentlich eines unredlichen bzw. korrupten Verhaltens beschuldigt. Hier wird (bei gleichzeitiger Adressangabe) aufgerufen, gegen diese Person vorzugehen. Dann wird aber beteuert, dass die Gründe für diese Anstrengung nur privat dargelegt werden können („wenn du mal in graz bist, kömma gern auf ein bier oder einen kleinen roten gehn...“). Nun weiß ich auf Anhieb nicht, was genau diesen Modus von den Methoden einer Tyrannis unterscheidet. (Lies nach bei Kafka!)

Wenn das noch dazu ein exponierter Repräsentant und Chronist jener frischen Grazer Demokratiebewegung tut, die genau gegen derlei Missstände einzutreten behauptet, sehe ich akuten Klärungsbedarf.

Es steht inzwischen fest, Trenczak will es mir nicht erklären: „ich sehe mich weder veranlasst, dir rechenschaft abzulegen, noch mich auf einen zeitraubenden & haarspalterischen definitionsstreit einzulassen. wenn du, wie oben angeboten, einmal mit mir reden willst, gern. wenn nicht, lässt du's bleiben. (hier & heute: ende für mich.)“ 

Kann mir Barbara Pichler in dieser Angelegenheit etwas erklären? Ich habe sie gefragt.

Ein Kernpunkt ihrer Antwort betrifft Fragen des Filmischen, betrifft cineastische Kategorien: „Denn wie soll man öffentlich antworten, wenn der Grund für die Ablehnung eines Films, den aber die Meisten natürlich nicht kennen, sein …“ (Ich spare die eigentliche Begründung der Ablehnung hier aus, weil ich meine, es sei die Sache von Trenczak, diese Begründung wissen zu wollen, und es sei Sache beider, das auch publizieren zu wollen.)

Folgende Pichler-Passage finde ich anregend, nämlich ihre Begründung, warum sie die Begründung der Ablehnung von Trenczaks Filmen nicht publiziert hat: „Ich fände es daher eigentlich ebenso diffamierend wie Trenczaks Behauptungen, den formalen Diskurs und die - zugegebenermaßen subjektive - Qualitätsfrage vor einer Öffentlichkeit zu führen, die diesen Wissensstand nicht hat.“

Ich habe in einer Notiz zu diesen Ereignissen davon auszugehen versucht, dass Einreichungen in unserem Metier Standard sind, Ablehnungen ebenso. Wer dazu neigt, hinter derlei Ablehnungen eine Verschwörung oder mindestens Korruption zu vermuten, wird eventuell die Branche wechseln müssen.

Business as usual

Es ist ja oft so, dass Gremien und Kuratorien begrenzte Rahmen und Budgets haben, außerdem bei diesen oder jenen Themenstellungen ihre Kriterien nicht unbedingt offenlegen oder öffentlich debattieren. Im Bezugssystem solcher Vorgaben entscheidet sich aber, ob eine von mir eingereichte Arbeit angenommen oder abgelehnt wird. Das wird ein Professional in der Regel unaufgeregt zur Kenntnis nehmen.

Wer Adressen und Gremien kennt, wird eventuell beschließen, seine Einreichung gemäß solcher Kenntnis maßzuschneidern; soweit das möglich ist. Dazu kursiert allerdings stets eine Art Generalverdacht, dass Kunstschaffende sich letztlich anbiedern, diversen Ausschüssen gefällig zeigen, sich andienen etc. Das wiederum bringt beiden Seiten Kritik ein, den Gremien, die uns angeblich Gängeln wollen und den Kunstschaffenden, die sich angeblich danach verbiegen.

Das Schaumkrönchen auf dieser Geschichte: Die Annahme, eine Landesregierung würde darüber wachen, dass keine Werke publiziert würden, die Kritik an ihr beinhalten, andernfalls würden vermittelnde Instanzen und produzierenden Instanzen mit Budgetentzug „bestraft“.

Das ganze Thema ist also von immerwährender Brisanz. Das ist einer der Gründe, warum es mich sehr beschäftigt. Ein weiterer Grund liegt in der Tatsache, dass ich das kulturpolitische Klima des Landes für vergiftet halte. In allerhand Teilbereichen scheint es so zu sein, dass Jeder allen alles zutraut, was uns an Schlechtem einfallen könnte. Und DAS ist nach meiner Überzeugung eine Art Einübung in die Tyrannis.

© Martin Krusche, Jahrgang 1956, freischaffender Künstler, Exponent von „kunst ost

Weitere Beiträge von Martin Krusche zum diesem Thema und zu anderen Themen sind hier.

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